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​Quo vadis - Wohnungspolitik in Deutschland


veröffentlicht am 16.11.2017 von ERGE



Die mediale Berichterstattung vermittelt bisweilen den Eindruck, als sei in der Wohnungspolitik der letzten Jahre so ziemlich alles falsch gelaufen. Davon kann keine Rede sein. Denn der Wohnungsbau hat deutlich zugenommen, laut Aussage des Bundesverbands der Deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen wurden 2016 immerhin 278.000 Wohnungen fertiggestellt. Verglichen mit den Vorjahren bedeutet dies eine merkliche Steigerung. Dennoch herrscht insbesondere in den Metropolen unzweifelhaft ein Mangel an Wohnraum.

Die Nachfrage wächst schneller als das Angebot
Dieses scheinbare Paradoxon löst sich relativ leicht auf. Dem steigenden Angebot steht in den Großstädten eine noch schneller steigende Nachfrage gegenüber. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst ziehen immer mehr Menschen in die Städte, weswegen in einigen ländlichen Regionen viele Wohnungen leer stehen. Hinzu kommt, dass die Wohnfläche pro Person ständig steigt. Dies liegt nur teilweise an den gestiegenen Ansprüchen. Es liegt auch daran, dass Senioren oft allein in Häusern oder Wohnungen bleiben, die ursprünglich für ganze Familien gedacht waren. Natürlich nur diejenigen, die sich dies finanziell leisten können. Auch die Zahl der Singlehaushalte steigt, was den Wohnraumbedarf ebenfalls steigert. Schließlich spielt die Migration ebenfalls eine Rolle, wobei insbesondere die Arbeitsmigration aus EU-Staaten zu Buche schlägt.

Einflüsse der bisherigen Wohnungspolitik
Kaum eine der gesetzlichen Neuregelungen der letzten Jahre hat so viel Aufmerksamkeit gefunden wie die so genannte „Mietpreisbremse“, die sich in der Praxis allerdings als weitgehend wirkungslos entpuppt hat. Anders sah es mit der ständig verschärften Energieeinsparverordnung aus, mittels der die Umsetzung der für die Wohnungswirtschaft formulierten Klimaziele geregelt wurde. Bis 2050 soll der gesamte Gebäudebestand klimaneutral sein. Die Zielvorgaben für die Bauwirtschaft sind nicht höher als für andere Branchen, aber anders als von der Auto- oder Energiebranche wurde von der Wohnungsbranche gefordert, diese Ziele auch tatsächlich umzusetzen. Dies hat die Baukosten merklich steigen lassen. Auch die Ausweisung neuen Baulands an der Peripherie der Großstädte wurde durch verschiedene Umweltauflagen erschwert. Als Kostentreiber hat sich auch erwiesen, dass die Länder seit 2006 selbst die Höhe der Grunderwerbssteuer festlegen dürfen. Seitdem sind die Steuersätze teilweise deutlich über die früher bundeseinheitlichen zwei Prozent gestiegen. 

Zukunftspläne der Parteien
Für Kapitalanleger am Wohnungsmarkt wird sich auf gesetzlicher Seite vermutlich wenig ändern. Eine mögliche Absenkung oder gar Aussetzung der Grunderwerbssteuer ist zwar für das (erste) selbst genutzte Eigenheim privater Käufer im Gespräch, aber nicht für gewerbliche Investoren. Auch mit einer Absenkung der Umweltstandards ist nicht zu rechnen. Zumindest in der derzeit verhandelten „Jamaika-Koalition“ ist schwer vorstellbar, dass gegenwärtige Umweltstandards gesenkt werden. Die mögliche Ausweitung des staatlich geförderten Wohnungsbaus wird den Wohnungsmarkt voraussichtlich nur wenig beeinflussen. Angesichts der fehlenden rund eine Million Wohnungen sind die diskutierten Volumina der Programme dafür zu klein. 

Kompromisse zeichnen sich ab
Es zeichnet sich ab, wie die Kompromisse in Sachen Wohnungspolitik bei Jamaika aussehen könnten. Die Grünen werden soziale Elemente durchsetzen, beispielsweise eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus oder neue Regeln bei der Vergabe von Bauland, die Mietwohnungsprojekte bevorzugt behandeln. Im Gegenzug werden sie der Forderung nach steuerlichen Vergünstigungen für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz zustimmen. Bislang gibt es solche in wesentlichem Umfang nur für den Gebäudebestand, während im Neubausegment entsprechende Maßnahmen schlicht vorgeschrieben sind. Dies wird sich ändern, um die Baukosten zu senken, ohne die Umweltstandards senken zu müssen. So einfach sind Kompromisse, wenn man die Rechnung an den Steuerzahler weiterreichen kann. Außerdem wird es irgendeine Form von Förderung für die Bildung von Wohneigentum geben. Vielleicht den von der FDP ins Gespräch gebrachten Verzicht auf die Grunderwerbssteuer für selbst genutzte Immobilien, vielleicht auch das von der Union favorisierte "Baukindergeld", wahrscheinlich aber eine Kombination aus beidem. 

Steigende Immobilienpreise erwartet
Insgesamt gehen derzeit nahezu alle Prognosen von weiter steigenden Immobilienpreisen aus. Lediglich in den A-Metropolen Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Stuttgart sieht die Bundesbank Anzeichen für eine Überhitzung des Immobilienmarkts und warnt, dass Immobilien dort teilweise überbewertet seien. Ansonsten ist nicht zu erkennen, warum die eingangs erwähnten Gründe für eine steigende Nachfrage in Großstädten nicht auch weiterhin ihre Wirkung entfalten sollten. Ebenso ist zu vermuten, dass Deutschland auch weiterhin für ausländische Anleger attraktiv bleiben wird, die für einen erheblichen Teil der Nachfrage in den Metropolen verantwortlich sind. Auch die Unsicherheiten in der Eurozone und in den internationalen Beziehungen, die mitverantwortlich für die Flucht der Geldanleger in Sachwerte wie Immobilien sind, scheinen noch lange nicht ausgestanden zu sein.

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